Mittwoch, 30. Juni 2010

Abschied oder Abrechnung

Chris is going home

66 Seiten, 29.121 Wörter und 189.911 Zeichen später ist mein Malaysia-Aufenthalt beendet. Eine seltsame Maßeinheit für Zeit? Natürlich! Aber so steht es nun mal in dem Word-Dokument, in dem ich hier einen nach dem anderen Beitrag vorgeschrieben habe. Also sitze ich nun (wer hätte es erraten) in einem Starbucks und kritzel meinen letzten Beitrag vor mich hin.

Ich mache keinen Hehl daraus,
dass ich diesen Malaysia-Blog von Beginn an „anderes“ angehen wollte. Es war immer mein Ziel unerwartete, primitive oder auch abstrakte Ansätze zu dem zu bieten, was ich hier so erlebt habe. Das liegt ganz einfach daran, dass ich vor meiner Abreise eine ganz bestimmte Erwartungshaltung unter meinen Lesern antizipiert habe, der ich ganz bewusst gegensteuern wollte. Beiträge nach dem Motto „Es ist alles so wunderschön hier!“ oder „Dann waren wir noch in dem Tempel und sind dann in das Museum gegangen …“ wollte ich direkt im Keim ersticken. Ich kann mir vorstellen, dass es gerade das ist, was viele Leute vielleicht auch zu regelmäßigen Lesern gemacht hat. Knapp 6000 Klicks finde ich für dieses Laien-Projekt nämlich schon ziemlich beeindruckend!
Was das Thema „Abschied“ angeht, kann ich euch dieses Ideal zumindest temporär nicht bieten. D.h. ihr müsst für die nächsten ein bis zwei Abschnitte mal in den sauren Apfel beißen und euch meine Auslandssemester-Gefühlsduseleien mal reinziehen, Oder, gepriesen sei das World Wide Web, runterscrollen!

Ich bin wirklich traurig dieses Land morgen um 10 Uhr zu verlassen. Besonders wehgetan haben in den letzten Wochen die Blicke, die ich zu sehen bekommen habe, wenn ich den Leuten erklären musste, dass ich nicht „zurückkehren“ werde. Natürlich werde ich versuchen, wieder nach Malaysia zu kommen. Zum Urlauben und vielleicht sogar zum arbeiten. Aber geplant ist zu Zeit nichts dergleichen. Dass ich wirklich nur ein (!) Semester hier war, geht über die Vorstellung vieler einheimischer Studenten hinaus. Denn selbst Foreigners, wie ich einer bin, kommen meist für mindestens ein Jahr, wenn nicht sogar für drei nach Malaysia für ihr Studium.
Dass ich tatsächlich so traurig sein werde vor meiner Abreise hätte ich noch vor zwei Monaten nicht erwartet. Vor knapp drei Wochen haben sich nämlich Stimmungslagen abgewechselt. Es gab Tage, an denen ich mich gefreut habe, dass ich bald die Leute in Deutschland wiedersehe und ich habe mir vorgestellt, wie viel einfacher das Leben dort allein sprachlich für mich ist. Dann gab es aber auch wieder Nächte, in denen ich im Studentenviertel unterwegs war, es war warm, überall waren Leute, die das Leben einfach Leben lassen, da habe ich mir oft vorgestellt, wie geil es eigentlich doch wäre, wenn ich mein letztes Studienjahr in Malaysia absolvieren würde. In diesen Nächten war ich mir sicher, dass dieses Gefühl sich gibt, je näher meine Abreise rückt. Doch eigentlich ist das ganze sogar in das Gegenteil umgeschlagen. Meine Fußballmannschaft hat ein farewell-Barbecue für mich veranstaltet, ich habe mit Viktor, Keong und David zum Abschied den Zouk gerockt und plötzlich spürte ich, wie ich immer betrübter darüber wurde, all die Menschen und das Leben hier zurückzulassen.
Das ist nun die Stelle, an der ich schreibe, was ich alles besonders vermissen werde und was mir ganz besonders in Erinnerung bleiben wird. Glücklicherweise brauche ich dieses Mikrowellen-Gericht nicht aufzuwärmen. Dafür hat jeder Leser hier die Möglichkeit selber auf den Button „ältere Beiträge“ zu klicken. Denn warum soll ich hier zusammenfassen, was ich woanders doch schon viel passender und weniger gefühlsduselig beschrieben und gewürdigt habe.

Damit hätten wir das auch hinter uns. Ich gehe mal stark davon aus, dass die meisten es trotz meines „Runterscrollen“-Rates gelesen haben. Wäre auch Schade drum, denn schließlich ist es der Hauptbestandteil dieses Beitrags. Als kleine Randnotiz würde ich gerne noch mit dem malaysischen Bildungssystem abrechnen. Schließlich ist dies ein Blog über mein Auslandssemester und ich war zum studieren hier:

Wenn ich mit dem malaysischen Bildungssystem abrechnen möchte, muss ich dies im speziellen eigentlich mit dem australischen  Bildungssystem tun. Denn ich habe in den letzten 4 Monaten das Curtin Programm absolviert. Slides, Texte und Klausuren kamen direkt aus Australien. Für alle die glauben, das malaysische Bildungssystem sei von minderer Qualität und ich hätte hier mal locker eben meine Credit-Points verdient, sollten im Verlauf meines Aufenthalts schon gegenteiliges gelesen haben. Um dies als Statement zusammenzufassen:

„Mein Studium in Malaysia kann nur schwerlich als ‚leichter‘ oder ‚schwerer‘ als mein Studium an der BiTS in Deutschland eingestuft werden! Ich kann aber sagen, dass der Arbeitsaufwand, der den Studenten hier auferlegt wird, erheblich höher ist.“

Dieser Arbeitsaufwand ist sicherlich nicht der falsche Weg um Studenten auf Jobs und Karrieren vorzubereiten. Allerdings nimmt er teils auch negative Auswüchse an. So basiert ein Großteil der einzureichenden Ausarbeitungen auf dem Zusammentragen von Informationen aus Büchern, Journalen, Zeitschriften und dem Internet. Besonders bekannt sollte dies den Studenten aus dem Literatur- oder Forschungsbereich sein. Allerdings ist eine Nebenwirkung dieses Szenarios, das die Studenten nicht wissen, wie sie wissen für sich nutzbar machen, es anwenden und verkaufen können. Bei fallorientierten Fragestellungen ist es daher nicht selten, dass Studenten ganzen Buchpassagen zitieren können, ohne auch nur einen Satz auf den Fall anwenden zu können. Die sehr stille und zurückhaltende Art, die einige Studenten von zu Hause mitbringen und die an öffentlichen malaysischen Unis sogar noch forciert wird, sorgt zudem für sehr leblose Vorlesungsräume. Hier gibt es sicherlich noch Entwicklungspotentiale in der Gestaltung von Programmen und Vorlesungen. Selbstverständlich will ich mich hier nicht großartig darüber beschweren. Einfach im Marketing-Style drauflos zu reden (hier „Bullshiting“ gennant) war für mich eigentlich der beste Weg positiv aufzufallen …


Generell gilt für Leute, die in Zukunft auf diesen Blog stoßen: Ihr könnt mich jederzeit über die Kommentarfunktion, facebook PM erreichen, wenn ihr ein Auslandssemester in Malaysia plant und noch die ein oder andere Frage habt, die vielleicht nicht in Broschüren oder Internetauftritten beantwortet wird. Ich mag vielleicht nicht viel im Land herumgekommen sein, aber ich habe mich stets für studentische Angelegenheiten hier interessiert und Leute gezielt in diesen Bereichen interviewt.

Da dies aber nicht das letzte ist, was auf diesem Blog zu finden sein soll, wird am oberen Ende dieser Seite eine Slideshow mit meinen Malaysia-Momenten zu finden sein. Das Lied im Hintergrund ist „Rocket Man“ von Elton John im Remix. Dieses Lied ist sicherlich der Soundtrack zu meinem Malaysia-Abenteuer. Ich weiß, das Lied ist traurig, aber ich bin immer noch ein Mensch der den Tag über eher sentimental denkt, als den Weg zur Uni tanzend zurücklegt …

Für meinen letzten Abend hier geht es mit Flora und ihren Mitbewohnerinnen in die Borneo-Bar. Die Mädels sind alle nen bisschen crazy. Deshalb gehe ich davon aus, dass der Abend wieder sehr amüsant wird. Meine Malaysia-Playlist auf youtube ist übrigens auch aktualisiert und fertig hier zu finden.

ChK Malaysia 2010

Danke an alle Leser.

Tschau mit V.
ChK

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