Sonntag, 4. April 2010

Drei Stationen und Fünf Regeln

Weiß jemand von euch was Mickey Mouse-Kurse sind? Das sind College-Kurse oder Vorlesungen, die keinen hohen akademischen Wert haben, aber dafür eine hohe Wahrscheinlichkeit des Bestehens besitzen. Leider waren diese Art von Kursen in der Liste des malaysischen Metropolitan Colleges nicht ausreichend gekennzeichnet, denn sonst hätte ich mir für mein Auslandssemester bestimmt ein paar davon in das Programm gepackt. Eine Hausarbeit habe ich seit dieser Woche schon hinter mir.
Aber in den nächsten Wochen werden noch ein essay, eine Klausur, ein Strategic Marketing Plan, eine Feasibility Study, eine Klausur, ein Proposal und zwei Präsentationen fällig, ehe es Mitte Juni in die richtige Klausurenphase geht.
Es ist also nicht verwunderlich, dass ich die letzten Nächte wenig geschlafen, aber dafür viel geschrieben und „geforscht“ habe. Dass es auf chkworldwide nicht viel zu lesen gab, ist eine Nebenwirkung eben diesen Zustands. Aber nur weil ich nichts geschrieben habe, heißt das noch lange nicht, dass es nichts zu berichten gibt.

Der letzte Samstag war zum Beispiel einer der ereignisreichsten Tage meines bisherigen Aufenthalts hier in Malaysia. Dass ich dazu an einem Wochenende um sieben Uhr aufstehen musste, hatte meine Erwartungen diesbezüglich schon vor dem ersten Weckerklingeln schon erheblich gedrückt, aber das Leben packt dich ja bekanntlich immer an den Eiern, wenn man es am wenigsten erwartet (gibt es eine derartige Redewendung? Wenn nicht, dann würde ich an dieser Stelle gerne das Urheberrecht für die Verbreitung in allen sozialen Netzwerken beantragen). Der Tag hatte drei Teile, die ich gerne unter Zwischentitelüberschriften Paintball, Shopping und KL-inside abhandeln würde.


Paintball. Der einzige geplante Teil des Tages war ein Paintballmatch von 9 bis 12 Uhr im benachbarten TTSport Park in Subang. Hier sind auch die folgenden Fotos entstanden. Danke nochmal an Sam, der sich bereit erklärt hatte zu fotografieren, obwohl er selbst nicht aktiv in das Kriegsgeschehen eingegriffen hat. (Das zweite Bild zeigt wieder deutlich, dass meine Augenlid-Muskulatur perfekt darauf eingestellt ist, den Kamera-Auslöser abzupassen. Eine evolutionäre Fähigkeit, die ich bisher noch nicht einmal zu meinem Vorteil einsetzen konnte.)





Ich muss gestehen, dass ich vor Beginn der Veranstaltung ein wenig skeptisch war, was den Spaßfaktor beim Beschießen anderer Leute mit Farbkügelchen angeht. Zumal ich in meinem gewohnten sozialen Umfeld ja ohnehin eher ein Fan von verbaler Gewalt bin. Aber es war wirklich sehr lustig. Allerdings glaube ich, dass auch der Instructor am Ende insgeheim gehofft hat, dass wir zwanzig Business-Studenten doch besser hinter unseren Schreibtischen bleiben sollten, wenn es auf dem Schlachtfeld mal irgendwann hart auf hart kommen sollte.
Meine Ausbeute: In sechs Spielen á 10 Minuten habe ich drei Leute mit gezielten Treffern des Feldes verwiesen und selber drei fiese Treffer (rechter Arm, linker Arm und zwischen die Augen) kassiert. Bei letzterem Treffer muss ich aber Entwarnung geben. Der Schuss ging lediglich auf den Teil der Schutzmaske, der meine Augen schützte. Nicht desto Trotz aber ein Kompliment an denjenigen, der diesen Sniper-Schuss vollbracht hat. Wer immer auch das war. Von den beiden anderen Treffern hatte ich hingegen länger etwas: die kleinen orangen Kügelchen hinterlassen fiese Abdrücke auf der Haut! Naja, ich habe sie als Narben eines großen Kriegers verkauft.

Um eine derartige Schlacht gebührend zu zelebrieren ging es dann im Anschluss noch zu Mc Donalds. Weil auch malaysische Studenten natürlich alles über die weltweit größte Fast-Food-Kette in anderen Ländern erfahren möchten, hatte ich da noch ein bisschen was zu erzählen. Beste Frage, die ich hier gestellt bekommen habe war: „I heard in Germany they are selling beer at Mc Donalds?“ – Ja, schwer vorzustellen, aber der deutsche Angebot-Nachfrage-Mechanismus setzt es sogar durch, dass man in einer Mc Donalds-Filiale Bier zu seinem Burger und Fritten trinken kann.
Meine Mc Donalds-Lektion des Tages war aber eine andere: Die Leute essen hier so gerne scharfes Essen, dass sie sich sogar noch Pfeffer über ihre Chili-Sauce streuen! Über ihre Chili-Sauce! Das muss man sich mal vorstellen. Ich mache um die Soße an sich schon einen großen Bogen, weil meine Geschmacksnerven nicht gut auf diese Art des Pommes-Dips ansprechen.
Ein bisschen medienspezifischer hat mir Alfred (Ja, der heißt wirklich so. Mein Gehirn denkt sich nicht schon wieder Spitznamen für komplexe asiatische Familiennamen aus.) dann den malaysischen Markt für Filmproduktionen erklärt: „Not even Malaysians watch Malaysian Movies!“ Traurig aber wahr, mit Abstrichen ist dieses Beispiel auch auf deutsche öffentlich-rechtliche Produktionen übertragbar.

*Für den weiteren Verlauf, habe ich dann leider auf eine Kamera verzichtet, weil ich ja bekannter weise nicht gerne im Touristen-Style an jeder Ecke stehen bleibe und auf den Auslöser drücke. Ich fotografiere lieber mit den Augen und formuliere das ganze in mein Langzeitgedächtnis herein. Ob es mir gelungen ist, werdet ihr selber beurteilen müssen.


Shopping. Bereits während des Essens hat Adam mich dann auf einen kleinen Shopping-Bummel in eins der umliegenden Einkaufszentren eingeladen. Sein Kollege, den ich im weiteren Verlauf des Tages auch noch etwas kennenlernen sollte, müsse ohnehin etwas dort besorgen und ich könnte einfach mal mitkommen. Spontan Ja zu sagen stellte sich im Nachhinein als gute Entscheidung heraus. Denn wir besuchten dann zu dritt das Bandar Utama in Petaling Jaya. Eins der mitunter größten Shoppingzentren in der Umgebung. Ein riesiger Komplex, der an einem Samstag-Mittag zudem auch noch mit jeder Menge Menschen gefüllt war. Das Gebäude hatte so viele Etagen und Geschäfte, dass ich es bevorzugt habe, einfach Adam und Sam den ganzen Nachmittag hinterherzulaufen als mich auf meinen eigenen Orientierungssinn zu verlassen.

Zu den beiden Charakteren mit denen ich unterwegs war: Adam ist ein für asiatische Verhältnisse groß gewachsener Typ, dessen äußeres Erscheinungsbild man sehr schnell mit dem Begriff „nerdig“ umschreiben könnte. Brille, struppige Haare und hängende Schultern. Adam ist sehr zuvorkommend und freundlich und erklärt mir immer noch verschieden Aspekte des Lebens in Malaysia. An diesem Tag ist Adam das erste Mal seit zwei Jahren wieder Auto gefahren, weil ihm seine Eltern bis dahin kein Auto zur Verfügung stellen konnten. Ihr könnt euch vorstellen, dass es mir angesichts diesen Umstands schwer fiel, mich im doch sehr eigenwilligen malaysischen Verkehr entspannt in den Sitz sacken zu lassen. Aber Adam hat uns den Tag über in seinem brandneuen Proton Saga sicher von A nach B befördert.
Sam ist ein Freund von Adam und die beiden kennen sich, so weit ich es verstanden habe, weil Sam in der Firma von Adams Mutter arbeitet. Jedenfalls wirken die beiden auf den ersten Blick grundverschieden. Sam ist tätowiert und versucht mit dem einen oder anderen Detail seines Äußeren unangepasst zu wirken. Er kennt sich ein wenig in der Nachtszene Malaysias aus und vermittelt den Eindruck als hätte er schon ein bisschen was von der Welt außerhalb der sicheren Apartment-Siedlung Kuala Lumpurs gesehen. Für meine Unternehmung an diesem Tag hat diese Verschiedenheit der beiden eine echte Bereicherung dargestellt und in verschiedenen Konversationen habe ich wieder jede Menge dazu gelernt.

Um mich dann auch noch kulinarisch weiterzubilden haben mich die beiden dann auch noch zum Essen in ein chinesisches Restaurant in einen Vorort von KL mitgenommen. Alleine hätte ich diesen Laden nie gefunden. Und selbst wenn ich daran vorbeigelaufen wäre, er sah einfach aus wie jedes andere der zig-tausend kleinen malaysischen Restaurants hier in der Umgebung. Ich hätte wahrscheinlich nie erfahren, dass dieser Imbiss in Insider-Kreisen dafür bekannt ist, ausgezeichnete Ente zu servieren. Und die Ente war wirklich gut! Ebenso wie anderen Nudel-Beilagen, die Adam und Sam für uns dazu bestellt haben. Zugegeben, in Deutschland würden diese Gerichte nie zu Kassenschlagern, weil viele Konsumenten schon allein vor dem optischen Erscheinungsbild zurückschrecken würden. Aber auch wenn ich nicht weiß wie es hieß, geschweige denn was drin war, würde ich es weiterempfehlen. Während des Essens konnte ich dann noch ein paar Verhaltensregeln aufschnappen, die aus meiner Sicht in jeden Reiseführer gehören:

1. Je dreckiger das Restaurant, desto besser das Essen!
(Als Adam mir diese Regel in Bezug auf China-Restaurants erklärt hat, wusste er selbst um die Ironie, die dieses Mantra vermittelt. Ob ich in Zukunft nun erst die Anzahl der Kakarlaken in der Küche zähle bevor ich bestelle, kann ich nicht vorhersagen. Aber vielleicht sollte ich mit dieser These mal an Rach, den Restaurant-Tester herantreten.)

2. In Malaysia legt man niemals sein Portemonnaie auf den Tisch!
(Die Regel geht anscheinend auf die Tatsache zurück, dass das Land viele talentierte Straßendiebe beheimatet, die früher mal olympische Mittelstreckenläufer gewesen sein könnten. Also: Egal ob drinnen oder draußen essen, immer die Geldbörse in der Tasche verschwinden lassen.)

3. Trifft man auf unerwünschte In-Store-Promotion: Einfach weitergehen und Blickkontakt vermeiden.
(Soll heißen: Wenn dir im Kaufhaus jemand versucht das neuste Maxis-Broadband-Paket im Vorbeigehen anzudrehen, gehst du einfach weiter, als wäre der Promoter Luft. Diese Regel erklärt auch warum mein freundliches Lächeln und der Satz „No. Thanks!“ mich bei meinen vergangenen Shopping-Erfahrungen nicht sonderlich weit gebracht haben.)

4. Alles was nicht schmeckt, wird auf den Tisch geworfen!
(Ob Fett, Knochen oder ein ungenießbarer Bissen. In den meisten malaysischen Restaurants legt der Gast das, was er nicht essen will, einfach neben den Teller und macht dafür nicht extra umständlich Platz auf diesem. Diese Regel führt unweigerlich auch zu Regel 4 b) Was neben den Teller fällt, sollte auch da liegen bleiben!)

5. Telefonieren auf der Straße sollte weites gehend vermieden werden!
(Zur Begründung dieser Regel siehe „Regel 2“.)

Das waren erst einmal fünf wichtige Regeln, denen man im Verlauf seines Malaysia-Aufenthalts Folge leisten sollte. Ich bin mir sicher, dass ich noch die ein oder andere soziale Konvention hinzufügen kann. Aber für heute sollte das doch erst einmal reichen. Eigentlich muss es das auch, denn mein Samstag war ja noch nicht beendet. Was noch folgte war die Petaling Street in Kuala Lumpur.


KL-Inside. Die Petaling Street ist das malaysische China-Town. Schon bevor Sam und Adam vorschlugen, mich dorthin auszuführen war dieser Ort keine unbekannte Adresse für mich. Denn schließlich habe ich Consumer Behaviour bei Mister Ronald belegt. Und immer wenn es darum geht Produkte unter dem Marktpreis zu kaufen, geht mindestens einmal der Begriff „Petaling Street“ durch den Raum. Das Konzept dieses Marktes ist simpel: Wenn ohnehin schon alle westlichen Luxusartikel in China hergestellt werden, kann man doch gleichzeitig auch Kopien dieser Produkte in asiatischen Ländern für ein Drittel des Preises verkaufen. Kurzum: In der einen Stunde, die wir über diesen Markt schlenderten, habe ich so ziemlich alle Marken gesehen, die in Europa in exquisiten Boutiquen und teuren Geschäften angeboten werden. LV, adidas, Armani und viele mehr gehen in der Petaling Street über die Ladentheke, wenn es denn eine gäbe.

Die mit Abstand amüsantesten Anbieter von Entertainment sind aber die Verkäufer von schwarzgebrannten DVDs. Diese werben nicht mit Namen von großen Spielfilmen und Hollywood-Verfilmungen, sondern versuchen den ahnungslosen Touristen direkt im ersten Satz mit dem Angebot von hochwertigen Porno- und Erotik-Filmen zu locken. Wer sich im Laufe seiner akademischen Karriere schon einmal kurz mit der männlichen Gehirnchemie auseinandergesetzt hat weiß, dass es sich hierbei nicht um die schlechteste Verkaufsstrategie handelt. Ich konnte der Versuchung jedenfalls wiederstehen. Auch wenn ich hin und wieder schon ganz gerne wüsste warum da eigentlich Stroh liegt.

Um den Eintrag abrupt zu beenden: Salut mit Doppel-Ü!
(Und Mama, ich sage dir jetzt schon: Dieser Satz wird nicht wirken. Es gibt keinen besseren Verkaufsschlager als „Tschau mit V! Aber ich bin ja experimentierfreudig …)

ChK

2 Kommentare:

  1. Wie viele Kakerlaken mehr bräuchte die Küche von "Hai Pin", um eine ebenso gute Ente servieren zu können? ;o)

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  2. Der Spruch mit den Eiern passt auch ganz gut zu Ostern.

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