Dienstag, 6. April 2010

Fußball in Malaysia: Im Duell mit Hitze und Gegner


Wenn eines von meinen Bilder um die Welt gehen sollte, dann bitte dieses hier: Ein grüner Rasenplatz im Angesicht der Petronas-Towers in Kuala Lumpur. Auf diesem Geläuf hatte ich letzte Woche die Ehre aufzulaufen – um vier Uhr Nachmittags in einem ganz normalen Freundschaftsspiel zwischen zwei malaysischen Hobbyteams.

Versteht mich nicht falsch, wenn ich von diesem Ambiente schwärme: Ich würde nichts in der Welt gegen die zahlreichen Dortmunder und Iserlohner Sportstätten tauschen wollen, die ich im Laufe meiner sechzehnjährigen Fußballerkarriere bespielen und umgraben durfte! Ganz im Gegenteil: ich würde jeden Amateurfußballer weltweit dazu einladen, mal ein Kreisliga C-Pflichtspiel in der deutschen Talentschmiede des Fußballs, dem Ruhrgebiet, zu bestreiten. Ich bin mir sicher, den durchschnittlichen Brasilianischen Strandzocker würden die in grau getunkten Frittenbuden und U-Bahn-Haltestellen in der Umgebung der Dortmunder Plätze ein Leben lang zeichnen. Nicht weniger verdutzt würde der argentinische Mittelstands-Verteidiger dreinschauen, wenn er in einer Iserlohner Kreisliga-Begegnung nebenan noch den Kühen beim Wiederkäuen zuschauen könnte.
Doch einmal im Herzen Kuala Lumpurs vor das runde Leder getreten zu haben, kann ich nun auch auf meine To-Do-Liste für meine Fußball-Karriere schreiben und im gleichen Atemzug abhacken.

Atmosphäre hin oder her. Meine Erfahrungen an diesem denkwürdigen Sonntag, möchte ich euch hier mal näher erläutern.
Nachdem ich alle atmosphärischen Eindrücke verarbeitet hatte, gab es dann nämlich nicht mehr viel zu träumen: Um es in einem Satz zu beschreiben: Malaysischer Fußball ist langsam, aber harter Kampf.
Den ersten Schock hatte ich schon vor dem Anpfiff zu verdauen: Zwei mal 45 Minuten bei gefühlten 50 Grad im Schatten! Als mir meine Mitspieler diese harte Nachricht verklickert hatten, wechselte ich noch einmal schnell das vom Warmmachen völlig durchgeschwitzte T-Shirt und begab mich auf meine Libero-Position. Verwunderlich war nur, dass bei diesem Spiel, so wenig organisiert es auch war, einfach mal drei Schiedsrichter aufliefen. Einer mit Pfeife, zwei mit Fahne. Ich kenne die hiesigen Aufwandsentschädigungen für Referees nicht, aber sie müssen exorbitant hoch sein, wenn es Menschen gibt, die sich an einem Sonntag-Nachmittag 90 Minuten in die malaysische Sonne stellen.
Gute Nachrichten gab es dann doch noch: Pressing ist hier nicht so angesagt. Wenn erst einmal angepfiffen ist, dann guckt man sich erst einmal in aller Ruhe an wie sich die gegnerische Verteidigung den Ball untereinander zuschiebt. Ich will nicht einmal behaupten, dass dieses Tempo den technischen Defiziten der beteiligten Spieler geschuldet ist, ich denke viel eher, dass auch die einheimischen Amateure wissen was ein Hitzschlag ist. Ähnliches gilt auch für die Interaktion mit dem Schiedsrichter. Über neunzig Minuten hört man nicht ein böses Wort über den Schiedsrichter über den Platz, geschweige denn ein Wortgefecht mit dem Mann in Schwarz. Auch hier setzte ich wieder die Witterung als Erklärungsansatz ein. Ich kann aber auch einfach folgendes sagen: Selbst wenn ich der Typ wäre, der sich mit dem Schiedsrichter auseinandersetzen würde, an diesem Tag hätte ich es nicht gekonnt, da meine Lunge viel zu sehr damit beschäftigt war nach Luft zu ringen, nachdem ich den ersten Ball in meiner Funktion als Libero abgelaufen hatte. Aber zum Glück bin ich ja ohnehin nicht so der cholerische Typ.

Libero! Ein gutes Thema. Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal für zweisprachige Taktik-Schulungen in der nächsten Saisonvorbereitung einsetzen. Als Abwehrchef ist es verdammt schwer seine Abwehr ordentlich über den Platz zu schieben, wenn man die Grundbegriffe der taktischen Ausrichtung nicht in englischer Sprache kennt. Hier muss definitiv noch ein Internationalisierungs-Prozess in den Kabinen am Buschkampweg Einzug halten. Zugeben, ist es auch schwer richtig zu delegieren, wenn man sich asiatische Namen von Mannschaftskameraden nicht merken kann. Aber für diesen Fall hat man ja immer noch den nackten Zeigefinger und ein lautes „Hey you!“ zur Verfügung.
Das allgemeine spielerische Niveau ist jetzt wirklich nicht überragend hoch. Zumindest nicht in der Partie, in der ich mitgespielt habe. Ich denke aber auch, dass man an dieser Stelle auch die  grundverschiedenen Ausrichtungen und Organisationsformen im Amateurfußball Deutschlands und Malaysias herausstellen muss. Zwar ist „Football“, wie es hier genannt wird (dank der Briten heißt es hier nicht „Soccer“), ein ausgesprochen populärer Sport und wird auch gerne gespielt. Organisiert wird das Ganze aber nur von ganz wenigen Personen. So wie ich es erlebt habe, vereinbaren zwei bis drei Verantwortliche eines Teams die Spiele, stellen Trikots und besorgen eine Palette Wasser.  Einen festen Stamm an Spielern gibt es nicht wirklich. Wer kommen möchte, der kommt einfach und der Rest wird per Telefon heranzitiert. Spielerpässe oder Staffelleitungen scheint es im Allgemeinen nicht zu geben (was auch erklärt warum ich ohne jede Art der Spielberechtigung einfach ein Trikot des Tiger FCs überstreifen und drauflos spielen durfte). „Zwei mal pro Woche Training.“ – Als ich die Anekdote von zu Hause erzählt habe, habe ich lediglich erstaunte und erschrockene Mienen geerntet. Eigentlich sympathisch. Sollte ich vielleicht für die nächste Debatte über Trainingsbeteiligung im Hinterkopf behalten. Bottom Line: Die lockere und lebensfrohe Ausrichtung des malaysischen Amateur-Fußballs und die bürokratische deutsche Vereinsmeierei haben zwei grundlegend verschiedene Ausgangspositionen für die Ausbildung ihrer Sportler.

Nach knapp 80 Minuten hatte dann jemand Erbarmen mit mir. Es folgte die lang ersehnte Auswechslung. Zugegeben: Für den einzigen Weißen auf dem Feld, der dazu noch keinen natürlichen UV-Schutz besitzt und dessen Organismus immer noch nach der europäischen Winterzeit gestellt ist, war das eine verdammt gute Leistung. Nichts desto Trotz drängte sich mir schon während der Partie die Frage auf: Wie viel mehr hätte ich erreichen können, wenn ich fit wäre und mich nicht in den letzten Wochen vor meiner Abreise aus jeder mögliche Trainingseinheit herausgewunden hätte? Naja, lassen wir das. Es gibt wichtigeres. Gerade von dem Feld gekommen, offenbarte sich mir dann eine ganz wichtige Baustelle für den interkulturellen Dialog: Aber wie erkläre ich den Strategen hier, dass in Deutschland zwischen Abpfiff und Bier nur etwa zwei Atemzüge liegen? Oder ist es überhaupt zu befürworten eine derartige Trink-Kultur hier einzuführen?

Das Spiel endete übrigens 1:1! War für mich an diesem Spieltag natürlich nebensächlich war, weil ich schon während der Partie damit beschäftigt war diesen Beitrag zu formulieren. Mein Kumpel Sam, der mich zu diesem Spiel mitgenommen hat, erzählt jetzt in der Uni überall herum, ich könne für Malaysia spielen. Aber meine Selbsteinschätzung ist zutreffend genug, um sagen zu können, dass der malaysische Fußball zwar schlecht ist, aber mein Können immer noch weit von diesem Niveau entfernt ist. Ich glaube, er erzählt, dass nur damit ich nächstes Mal wieder mitkomme, wenn es heißt: Schwitzen um jeden Preis!
Aber fassen wir mal zusammen: Ich habe mich ein wenig bewegt, viele nette Leute kennen gelernt und mein Vater und Trainer ist jetzt auch ein Stück beruhigter, weil er seit meiner Abreise fürchtet, ich käme als physisches Wrack zurück in den Holzpfosten-Spielbetrieb. Also eine Win-Win-Win-Situation. Geht doch.


Weil ich natürlich vielen meiner neuen Freunde noch nicht vor den Kopf stoßen will, habe ich für den gleichen Tag noch ein Futsal-Match angenommen. Die spielen hier allen Ernstes um 23 Uhr nachts noch Futsal! Das ist richtig krass. Was aber noch viel krasser sind die Hallen, die die hier für Freizeit-Zocker wie uns gebaut haben. Die haben hier nämlich nicht nur die Kleinfelder in Kunstrasen, sondern auch mit einem echten Futsal-Ground und passender Bemalung. Und davon ganze Hallen mit zehn oder mehr Courts. Sehr sehr geil, kann ich da nur sagen!
Dieses Match warn dann aber bei Weitem nicht mehr so aufregend wie mein Outdoor-Match an diesem Nachmittag. Obwohl ich schon ein etwas schlechtes Gewissen habe: Sam und Adam (die kennt man schon aus „Drei Stationen und Fünf Regeln“) haben mich zu diesem Spiel mitgenommen und mir verschwiegen, dass es eher ein Anfänger-Match ist. Jedenfalls habe ich den ein oder anderen in dieser Nacht vielleicht ein bisschen vorgeführt und 60 Prozent der Tore für mein Team erzielt. Naja, wenn sie mich nächstes Mal einladen weiß ich, dass auch ein Holzfuß wie ich manchmal einen Gang runterschalten muss. Geschwitzt habe ich trotzdem in meinem Bayern-München-Trikot. In der Tat glaube ich sogar, dass ich an diesem Tag das ein oder andere Bier von meinem 18. Geburtstag noch ausgeschwitzt haben könnte …

ChK

1 Kommentar:

  1. Das muss man sich mal reinziehen. In Malaysia, wo Fußball ungefähr so professionell ist, wie Korfball hierzulande, haben sie traumhafte Rasenplätze und gigantische Futsal-Hallen. In Deutschland, wo Menschen für sich, ihre Familie und noch drei weitere Kleinstädte Geld verdienen können, nur mit Fußball spielen, rennen die hoffnungsvollen Nachwuchstalente auf Ascheplätzen herum und machen sich die Knochen auf Plastikböden kaputt.

    Ich versteh die Welt nicht. Wünsch dir aber weiterhin viel Spaß dabei, es zu versuchen ;)

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